Amiga Patent Story
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I. Vorgeschichte

2. Atari

 

Versetzen wir uns zurück in das Jahr 1979.

 

Anläßlich der Winter Consumer Electronics Show (WCES) werden die Homecomputer Atari 400 und Atari 800 (Codenamen "Candy" und "Colleen") der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Oktober 1979 kommen die Computer in den Handel. Sie weisen eine für die damalige Zeit spektakuläre Grafikleistung auf. Ihr Chipsatz rund um den 8-Bit MOS 6502 Prozessor enthält unter anderem einen programmierbaren Grafikchip, der unter dem Namen CTIA (Colleen Television Interface Adapter) in die Computergeschichte eingehen wird.

Atari 800

Bild 1: Atari 800 Homecomputer
 

Die spätere Weiterentwicklung dieses Chips zum GTIA (General Television Interface Adapter) ermöglicht schließlich eine Auflösung von bis zu 320 x 192 Pixel bei bis zu 256 Farben. Entwickelt wurde der Chipsatz von einer Entwicklergruppe um Steven T. Mayer. Zum Team gehören außerdem Jay G. Miner, Douglas G. Neubauer und Joseph C. Decuir. Die Technologie dieser Chips ist in einer Serie von Patenten beschrieben, die mit der am 08.01.1979 angemeldeten Patentschrift US 4,296,476 beginnt. Gerichtet sind die Patente auf ein Datenverarbeitungssystem, bestehend aus einem Microprozessor, einer Speichereinheit, einem Grafikgenerator und einem diese Komponenten verbindenden Bussystem. Ziel war es dabei, eine hohe Grafikleistung bei geringer Prozessorbelastung zu ermöglichen.

 



Bild 2: Blockschaltbild der Atari 400/800 8-bit Homecomputer

 

Die Erfindung setzt auf Technologien der im Dezember 1977 vogestellten Spielkonsole Atari VCS (Video Computer System) mit dem Grafikchip TIA (Television Interface Adaptor) auf, die in einen US-Patent von Steven T. Mayer und Ronald E. Milner beschrieben sind (4,112,422). Um die gewünschte geringe Prozessorbelastung zu erzielen, erweitert die Entwicklergruppe dieses Konzept jedoch unter anderem um die DMA (direct memory access)-Technik und sogenannte Display Lists, womit sich nutzerdefinierte Grafikmodi programmieren lassen. Zudem kann der Chip Sprites darstellen, die bei Atari "Player" und "Missile" genannt werden. Für diese Objekte existiert im Chip eine Kollissionserkennung.

 

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Im September 1979 stellt Motorola den Microprozessor MC68000 vor. Der Prozessor hat einen 16-bit Datenbus, einen 24-bit Adressbus, ein echtes 32-bit Register, eine 16-bit Arithmetic Logic Unit (ALU) und eine integrierte Buskontrolle. Er wird deshalb als 16/32-bit Microprozessor gehandelt. Der 24-bit Adressbus erlaubt die Adressierung von 16 MB Speicher.

Der MC68000 ist in der Lage, zwei 16-bit Zahlen 50 bis 60 mal schneller zu multiplizieren als ein 8-bit Mikroprozesssor wie der Intel 8080. Das liegt daran, dass ein 8-bit Microprozessor nur durch zeitraubende wiederholte Addition multiplizieren kann, während ein 16-bit Microprozessor in der Lage ist, eine Multiplikation in nur einer einzigen Operation durchführen. Die Rechenleistung eines mit 8 MHz getakteten MC68000 beträgt ca. 1 MIPS (Million Instructions per Sekond). Alles in allem erweist sich der MC68000 als sehr programmierfreundlich; eine Tatsache, die maßgeblich zu seinem Erfolg beitrug.

 

MC68000 Register Set

Bild 3: Register Set MC68000

Der 68000er Microprozessor besitzt 8 Datenregister (D0,D1,...D7), auf die sowohl byteweise, wortweise als auch langwortweise zugegriffen werden kann. Außerdem besitzt er 8(9) Adressregister (A0,A1...A7). Eine Sonderrolle spielt das Register A7: es ist der sogenannte Stackzeiger. Register A7 gibt es doppelt: je eines für den User Mode (Standard) und den Supervisor Mode (Überwachungsmodus).

Die Adressregister sind wortweise und langwortweise ansprechbar. Daten und Adressregister sind direkt im Prozessor intergriert, wodurch ein wesentlich schnellerer Zugriff als auf den Hauptspeicher möglich ist. Außerdem besitzt der MC68000 einen Programmcounter (PC), der bestimmt, welche Adresse als nächstes abgearbeitet wird, sowie ein Statusregister (SR).

Bild 3 zeigt das Register Set des MC68000 im Überblick.

 

Nebenstehendes Foto zeigt einen MC68000-Chip in einem ungeschnitten Wafer, umgeben von anderen 68000er-Chips. Der Flächenbedarf eines Chips beträgt anfänglich ca. 6,2 * 7,1 Quadratmillimeter.

Der berechtigte Stolz der Chip-Designer, den höchst integrierten Schaltkreis ihrer Zeit entwickelt zu haben, findet seinen Niederschlag im Namen: Der MC68000 Microprozessor vereint 68000 Transistorfunktionen auf einem Chip. Kunden erhalten den Chip zur Markteinführung konfektioniert in einem 64-poligen DIL-Keramikgehäuse.

Das Design des MC68000 bildet die Grundlage für eine ganze Familie von Microprozessoren und -controllern, die auch heute noch am Leben ist.

68000er Chip on Wafer

Bild 4: MC68000 Chip auf dem Wafer
 

 

Das Konzept dieses Prozessors muss Jay Miner so überzeugt haben, dass er Atari vorschlug, einen 16-bit-Computer auf Basis des MC68000 zu entwickeln. Als Atari ablehnte, kündigte er. Miner: They couldn't see the writing on the wall. Deutsch: Sie konnten das Menetekel nicht erkennen. Unter Menetekel versteht man eine unheilverkündene Warnung oder drohende, den Untergang verkündende Worte. Als Herkunft gilt eine Episode des Alten Testaments der Bibel (Das Gastmahl des Belsazar, Daniel 5,25), in der dem König Belsazar, Sohn Nebukadnezars, eine geisterhafte Schrift an der Wand seines Palastes erscheint, die von dem Propheten Daniel als Mene mene tekel upharsin entziffert und als Untergangs-Prophezeiung des Reiches Belsazars gedeutet wird.

Die Vision eines Computers mit MC68000, Customchips und durchgängigem DMA-Design hatte sich im Kopf von Jay G. Miner festgesetzt.

 

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Miner selbst sagt, dass er nach seiner Kündigung bei Atari bis 1982 für eine Vielzahl von neuen Unternehmen gearbeitet hätte: Ich war immer auf der Suche nach einer interessanten Startup Company, mit der ich meine Pläne verwirklichen konnte. Beim Chiphersteller Xymos, der Firma eines Freundes, war er an der Entwicklung des Prozessors eines von außen programmierbaren Herzschrittmachers beteiligt. Die am 18.05.1981 von Intermedics, Inc., angemeldete Erfindung trägt die Patentnummer US 4,404,972.

 

(Thomas Unger)


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Letzte Veränderung: 14. Oktober 2004